Beiträge vom 11. August 2010

Zueignung, Prolog auf der leeren Bühne und dann geht der Suchende Bär erst mal ab

Mittwoch, 11. August 2010 20:09

leere buehne

(Archibald Mahler in seiner Rolle als ‚Der Suchende Bär’ – im folgenden DSB – betritt die leere Bühne. Im Hintergrund Hämmern, Sägen und Geschäftigkeit. Der Lütten Stan baut Bühne, räumt Requisiten von rechts nach links, dann von links nach rechts. Die Zuschauer – sieben Raben, ein Fischreiher, etliche Spatzen, ein Schwanenpaar mit vier Jungen, eine Bisamratte und einige zufällig vorbeiradelnde Aufrechtgeher fordern den Beginn der Veranstaltung. Der Bär hebt an und spricht. Die Sommerseespiele Lausebach 2010 haben begonnen.)

„Die schwankenden Gestalten, dort sie nahen, dem trüben Blick sich wieder zeigend und meine Frage ist, gelingt’s mir heut sie festzuhalten. Wir werden sehen, dann wenn der Vorhang fällt, den wir nicht haben hier. Und nun ergreift mich jenes Sehnen und ein Schauer faßt mich an, denn was ich einst erlebt, aus fernem Geisterreich da winkt und drängt es sich mir zu, auf daß ich Euch bericht davon. Was nun und wohin lenkt der Text den Sinn? Mir schwirrt der Kopf von fremden, wirren Worten.“

(Erste Unruhe im Publikum und hinter der Bühne.)

„Ruhe, verdammt noch mal. Ich muß mich konzentrieren. Gut, weiter denn und wie den Geist der Schauenden belohnen? Sie kommen her zu schaun, zu  sehn, sie wollen gaffend staunen, doch wie man’s tut, sie werden klagen, denn so sind sie. Dem Bären, nein, dem Mimen keine Kränze von der Nachwelt sind geflochten, so wollen wir die Schauer heut verwirren, denn sie gar zu befriedigen, dies ist wohl schwer. Jedoch: der Aufrechtgeher Kraft sie weiset sich im Dichter, der flicht zum Ehrenkranz der Menschen tragisch Tat und dieser Monolog zwickt mir die Zung und knotet meinen Geist, weil er so viele neugedachte Worte hat. Doch denkt auch dran: in bunten Bildern wenig Klarheit, viel Irrtum und ein Fünkchen Wahrheit, und gebet acht, was folgen wird sogleich.“

(Wachsende Unruhe im Publikum, insbesondere bei den Sieben Raben. Zwischenrufe: ‚Der Worte sind genug gewechselt.’ ‚Laßt uns endlich Taten sehen!“ „Mehr Mimen auf die Bühne, aber hallo!’)

„Die Botschaft hör ich wohl, allein mir fehlt der Faden. Doch schreit ich nun im engen Bretterhaus, den ganzen Kreis der Schöpfung aus und wandel mit des Bären Schnelle, vom Silbersee durch die Welt zur Hölle und sicher auch zurück, der gute König wartet und nun, ihr Raben, hört mir zu. Denn ich hab, ach nun, die Weltenschau, die Fensterbank, das abbe Bein, der Flüsse Ufer und Wälder Tiefen und selbst die Pöhlerei durchaus studiert mit Bärenmut und bin so schlau wie dunnemals. Doch ruft und hüpft in mir die Welt und fragt, was sie zusammenhält, im Innersten und auch mein abbes Bein. Nun gut! Es hängt der Bär wie eine Glocke! Text!“

(Rumpeln hinter Bühne. Stan sucht das Textbuch und findet es nicht. ‚Nimm was vom Geheimrat. Das klappt immer.’ Das ist des Hasen Tip.)

„Nun denn, auch wenn man’s nicht mehr kennt, so höret zu, zum Beispiel dies: ‘Und fragst Du noch, warum dein Herz sich bang in deinem Busen klemmt? Warum ein unerklärter Schmerz Dir alle Lebensregung hemmt?’ Weil, ja, warum und dies gilt’s zu erkunden draußen dort. Und Euch, Euch nehm ich mit auf diese Reis und jetzt muß ich, da auch die Bühne noch nicht komplett gericht’t, hinfort. Mit Goethe noch ein letztes Wort, dann bin ich weg, für heut: ‘Flieh! Auf! Hinaus ins weite Land!’ Dank soweit. Nun rührt die Hand.“

(Archibald geht ab. Spärlicher, doch die Erwartungen des Bären eindeutig übersteigender Applaus. Stan springt auf die Bühne, verbeugt sich in den abschwellenden Applaus hinein – Wat mutt, dat mutt! – und beginnt die Bühne umzubauen. Hinter der Bühne bemerkt Archibald Mahler, seit zehn Minuten darstellender Bär, daß er sich vor lauter Aufregung sein gesamtes Fell durchgeschwitzt hat. Stan hat dann auch noch was zu sagen.)

„Ihr Herren, Damen und liebes Getier, das Stück heißt ‚Der König und das abbe Bein’ und dauert bestimmt bis heut nacht gegen vier. Sach ich mal so. Jetzt können Sie wieder klatschen.“

Thema: Musentempel | Kommentare deaktiviert | Autor: Christian Lugerth