Archibalds Intertextualität kommt beinahe mit Herrn William Kotzwinkle ins Gehege, Mann!

dorkie“Mann Bärchen, hast Du sie noch alle?” Ernst Albert war ins Zimmer geplatzt. Und dies ausgerechnet am heiligen Potzrembel-Tag. Ernst Albert war auf der Suche nach seiner Sonnenbrille, weil die ganze Nacht  Stahlzigarren zu gucken und dabei alternierend Grauburgunder von Aldi und Cabernet Sauvignon von Lidl zu trinken nicht nur das Hirn gehörig verspannt, sondern auch die Lichtempfindlichkeit schmerzhaft verstärkt. Übellaunigkeit erfüllte das Zimmer. “Originalität gibt`s sowieso nicht, nur Echtheit? Pustekuchen, Herr Plagiator! Da sei der göttliche Horse Badorties vor!”, sprach also Ernst Albert, riß Archibald die Brille von der Bärenschnauze und hielt seinem Hausbär ein vergilbtes, kaffeebeflecktes und freudig zerlesenes Buch unter die Nase. “Mir scheint da will wohl ein Bär nach oben. Hier! Lese! Bär!” Und weg war er. Die Haustür fiel knackend ins Schloß.

Da saß nun Archibald, ein speckiges Buch in den Tatzen und wußte nicht wie ihm geschehen war. “Horse Badorties! Plagiator! Lesebär!” Er verstand kein Wort. Sicher, wenn sich die Blätter in der Heimat der Bären dort jenseits der Meere rot, gelb und bunt färben und nachts die ersten Pfützen zufrieren, ist es sinnvoll Beeren und Blätter und Käfer und Mäuse zu lesen, um sie zu verspeisen und Fett anzusetzen. Aber was hat dies mit dieser gelblichen Ansammlung wahrscheinlich übel schmeckender Blätter zu tun? Archibald kratzte sich an seinem Bärenhintern, was Bären nun mal machen, wenn sie angestrengt über etwas nachdenken. Er schlug das Büchlein auf und sah viele verschiedene schwarze Punkte und Zeichen auf dem gelben Papier, wobei  jede Seite ein etwas anderes Gesicht hatte. Bald jedoch stieß er auf eine sehr seltsame Seite, ach was, sechs, sieben solcher Seiten hintereinander. Er sah vor sich eine Ansammlung immer gleicher schwarzer Zeichen, die sich wiederholten und wiederholten und wiederholten, als sei eine gigantische Mäuseschar über das sandige Ufer eines Baches gelaufen. Fasziniert blickte er auf diese Mäusespuren, immer und immer wieder und fiel nach kurzer Zeit in einen tiefen Schlaf. Und es träumte ihn, wie er in einem knallgrünen Sommerwald Heidelbeeren las und Käfer und Larven, als er plötzlich am Ufer eines Baches voller Mäusespuren, die aussahen wie die Mäusespuren aus Ernst Alberts gelben Buch, einen alten bärtigern Mann erblickte, der sich, als Archibald gebannt auf ihn zutapperte, als ein Herr William Kotzwinkle vorstellte und ihm ein vergilbtes und mit Kaffeeflecken garniertes Buch überreichte und dabei sprach: “Fang am besten damit an, mein kleiner Lesebär.” Woraufhin der bärtige Mann aufstand und im knallgrünen Wald verschwand, tiefer und tiefer. Und Archibald konnte noch in der Ferne hören, wie Herr William Kotzwinkle dabei lachend ein einziges Wort vor sich hersagte. Immer und immer wieder. “Dorkie!” Ja! “Dorkie! Dorkie! Dorkie! Dorkie!” Archibald erwachte. Erfrischt. Aber er hatte auch das  Gefühl, daß er seit Tagen eigentlich etwas ganz anderes erzählen wollte. Und sein rechtes Bein fing an zu jucken. Wie damals nach der Anoperation.

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Autor: Christian Lugerth
Datum: Montag, 22. Februar 2010 15:04
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